BPatG München 11. Senat, Beschluss vom 14.12.2022, AZ 11 W (pat) 14/22, ECLI:DE:BPatG:2022:141222B11Wpat14.22.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Patentanmeldung 10 2020 132 335.2
(hier: Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist)
hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 14. Dezember 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Höchst
sowie der Richter Eisenrauch, Dr.-Ing. Schwenke und Dipl.-Chem. Dr. Deibele
beschlossen:
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist und in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde gilt als nicht erhoben.
3. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.
Gründe
I.
1
Die Antragstellerin war Anmelderin der Patentanmeldung 10 2020 132 335.2 mit der Bezeichnung „Papier- oder Kartonverpackung“, die die Antragstellerin am 4. Dezember 2020 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingereicht hatte und die am 9. Juni 2022 offengelegt worden ist. Die Prüfungsstelle für Klasse B65D des DPMA hat die Patentanmeldung mit Beschluss vom 13. Juli 2022, der dem anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin am 16. Juli 2022 zugestellt worden ist, zurückgewiesen.
2
Mit Eingaben vom 2. September 2022, die am selben Tag beim DPMA eingegangen sind, hat die Antragstellerin durch ihren anwaltlichen Vertreter Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss vom 13. Juli 2022 eingelegt und den Antrag gestellt, ihr Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist zu gewähren. Die Beschwerdegebühr in Höhe von 200 € hat die Antragstellerin mit SEPA-Lastschriftmandat vom 2. September 2022 entrichtet.
3
Zum Wiedereinsetzungsantrag hat der anwaltliche Vertreter vorgetragen, Grund für die Versäumung der Beschwerdefrist sei gewesen, dass er bei Ablauf der Beschwerdefrist … erkrankt gewesen sei und seine Kanzleiräume nicht habe betreten können. Von zu Hause aus habe er keinerlei Zugriff auf die Daten der Kanzlei gehabt, wobei er auch gar nicht arbeitsfähig gewesen sei. Hiernach sei die Frist für die Beschwerdeeinlegung schuldlos versäumt worden.
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Die Antragstellerin hat (sinngemäß) beantragt,
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ihr Wiedereinsetzung sowohl in die Frist zur Einlegung der Beschwerde als auch in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr zu gewähren und sodann das Beschwerdeverfahren durchzuführen.
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Der Senat hat mit Bescheid 7. Oktober 2022 der Antragstellerin mitgeteilt, dass der Wiedereinsetzungsantrag voraussichtlich keinen Erfolg haben dürfte, da der vorgetragene Sachverhalt nicht erkennen lasse, dass die Frist schuldlos versäumt worden sei. Die Antragstellerin hat sich hierzu nicht mehr geäußert.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
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1. Der Wiedereinsetzungsantrag ist gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG zulässig.
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a) Der Antrag ist statthaft, da die Antragstellerin die Frist zur Einlegung der Beschwerde und zur Zahlung der Beschwerdegebühr versäumt und dadurch einen gesetzlich geregelten Rechtsnachteil erlitten hat. Der Zurückweisungsbeschluss vom 13. Juli 2022 war dem anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin nachweislich am 16. Juli 2022 gegen Empfangsbekenntnis iSv § 5 Abs. 4, Abs. 7 Satz 1 VwZG zugestellt worden. Demnach war die 1-monatige Frist zur Einlegung der Beschwerde gemäß §§ 73 Abs. 2 Satz 1, 99 Abs. 1 PatG iVm § 222 Abs. 1 ZPO und §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1 BGB am 16. August 2022 (einem Dienstag) abgelaufen. Die am 2. September 2022 beim DPMA eingereichte Beschwerde und die am selben Tag erfolgte Zahlung der Beschwerdegebühr sind offensichtlich zu spät erfolgt. Hiernach wäre die Beschwerde einerseits verfristet und damit unzulässig; andererseits besteht der vorrangig zu berücksichtigende Rechtsnachteil darin, dass die Beschwerde gemäß § 6 Abs. 2 PatKostG mangels fristgerechter Zahlung der Beschwerdegebühr als nicht erhoben gilt, was den weitreichenderen Rechtsnachteil darstellt.
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b) Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch insoweit zulässig, als die in § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG geregelte, 2-monatige Einreichungsfrist offensichtlich gewahrt wurde.
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2. In der Sache bleibt der Wiedereinsetzungsantrag aber ohne Erfolg, da die gegebene Begründung keine Anhaltspunkte dafür liefert, dass der anwaltliche Vertreter „ohne Verschulden“ iSv § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG gehindert gewesen wäre, die Frist für die Einlegung der Beschwerde und für die Zahlung der Beschwerdegebühr einzuhalten. Gemäß § 99 Abs. 1 PatG iVm § 85 Abs. 2 ZPO muss sich die Antragstellerin das Verschulden ihres anwaltlichen Vertreters zurechnen lassen.
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Nach ständiger, gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Anwalt – und zwar auch ein Einzelanwalt – verpflichtet, für den Fall einer unvorhergesehenen Erkrankung geeignete Vorkehrungen für seine Vertretung zu treffen (vgl. z. B. BGH NJW 2014, 228; auch: Schulte/
Schell, PatG mit EPÜ, 11. Aufl., § 123 Rn. 131 f.). Auch eine Erkrankung am letzten Tag einer Frist rechtfertigt für sich genommen noch keine Wiedereinsetzung (vgl. BGH NJW-RR 2021, 635 f. = MittdtschPatAnw 2021, 294 [Leitsatz]). Eine Ausnahme hiervon ist nur in solchen Fällen denkbar, in denen ein plötzlich eingetretenes Ereignis den Verhinderungsgrund bildet und der Anwalt schlagartig jegliche Handlungsfähigkeit verloren hat. Ein solcher Ausnahmefall steht hier aber nicht in Rede.
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Der anwaltliche Vertreter hat lediglich vorgetragen, … erkrankt, hierdurch am Betreten seiner Kanzleiräume gehindert und nicht arbeitsfähig gewesen zu sein. Nach der oben zitierten Rechtsprechung wäre der anwaltliche Vertreter verpflichtet gewesen, Vorkehrungen in Vorbereitung auf einen möglichen Krankheitsfall zu treffen oder zumindest Maßnahmen anlässlich seines konkreten Krankheitsfalles zu ergreifen, um den Kanzleibetrieb wenigstens in Form eines Notbetriebes am Laufen zu halten. Vorliegend hat der anwaltliche Vertreter weder das eine getan noch, obwohl es ihm trotz seiner Erkrankung offenbar möglich gewesen wäre, das andere. Sein Verhalten stellt damit ein Organisationsverschulden dar, das nach den geschilderten Umständen auch ursächlich dafür war, dass die Frist für die Einreichung der Beschwerde und für die Zahlung der Beschwerdegebühr versäumt wurde.
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Da bereits der gelieferte Vortrag eine Wiedereinsetzung nicht rechtfertigt, konnte auf die Vorlage von Unterlagen zur Glaubhaftmachung, insbesondere auch auf die vom Vertreter angebotene „ärztliche Krankschreibung“, verzichtet werden.
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3. Zusätzlich war auszusprechen, dass die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen ist. Da die Beschwerde gemäß § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht erhoben gilt, ergibt sich für die Antragstellerin ein Erstattungsanspruch aus § 10 Abs. 2 PatKostG.